Das Projekt unterstützt und stärkt die Informiertheit, wechselseitige Kommunikation und selbstorganisierte Netzwerkformierung von qualifizierten Frauen im Landkreis Görlitz. Über digitale und analoge Angebote soll die Sichtbarmachung dieser Gruppe sowie ihrer Probleme und Potentiale nachhaltig erhöht werden.
Zentrales Ziel des Projektes ist das Entstehen neuer Handlungsmöglichkeiten der Mitgestaltung durch die (qualifizierten) Protagonistinnen sowie eine verbesserte Wahrnehmung von (strukturellen, zivil-gesellschaftlichen und wirtschaftlichen) Entwicklungsmöglichkeiten durch regionale und etablierte Akteure. Darüber hinaus sollen neue Ideen für geschlechtersensible Strategien und Maßnahmen der Fachkräftesicherung und Fachkräfteentwicklung in der Region entwickelt und mit Partnern aus Wirtschaft und Verwaltung beraten werden.
Grundsätzlich steht die Region Oberlausitz (und darin der LK Görlitz) in den kommenden Dekaden vor gravierenden Herausforderungen in der Fachkräftesicherung und Fachkräfteentwicklung. Die Lage in der Region ist seit Jahren ambivalent. Einerseits liegt die Arbeitslosenquote im LK Görlitz über dem sächsischen Durchschnitt, andererseits nimmt die Anzahl offener Stellen zu und bestehen gerade in jenen Sektoren und Qualifikationsprofilen erste (und absehbar zunehmende) Engpässe, die für die Region und deren Wertschöpfungsdynamiken besonders relevant sind. Dazu zählen gut und hoch qualifizierte Arbeitskräfte in den Branchen IuK-Technologien, Energiewirtschaft, Fahrzeug- und Maschinenbau, Kunststoffindustrie, aber auch Landwirtschaft, Gesundheitswesen sowie Kultur- und Kreativwirtschaft.
Dabei verdankt sich die zunehmend problematische Lage auf der Angebotsseite zunächst der massiven Abwanderung junger und qualifizierter Arbeitskräfte in den 1990er und frühen 2000er Jahren, wobei vorwiegend jungen Frauen die Region verließen. Das führte im Zusammenspiel mit der langen Zeit unterdurchschnittlichen Geburtenrate zu einer Altersstruktur der Bevölkerung in der Region, die heute einen der höchsten Altenquotienten in der gesamten Bundesrepublik aufweist. Vor allem aber haben wir es seit vielen Jahren mit einer nur geringen Zuwanderung in die Region zu tun. Diese konzentriert sich auf wenige Orte (vor allem Mittelstädte wie Görlitz) und erweist sich hinsichtlich der Herkunft der Wandernden als hoch selektiv (u.a. für Görlitz: Polen im Dienstleistungssektor). Darüber hinaus ist offen, wer von den berufstätigen Zuwanderern längere Bleibeabsichten und -chancen besitzt.
In jedem Fall kämpft die Region in demographischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht nur mit einem Problem alternder Fachkräfte, sondern auch mit einer geschlechtlichen Asymmetrie. Es gibt in einzelnen Landgemeinden deutlich weniger Frauen jüngeren und mittleren Alters als Männer. Aber nicht nur das. Frauen sind bis heute in wichtigen traditionellen Schwerpunktbranchen mit überdurchschnittlicher Entlohnung (Bergbau, Energie, Fahrzeugbau) ebenso wie übergreifend auf den Führungsebenen von Industrie, Gewerbe, aber auch Verwaltung und im öffentlichen Bildungssektor signifikant unterrepräsentiert, so wie sie in unterdurchschnittlich bezahlten Branchen sowie auf Arbeitsplätzen unterhalb der Führungsebene überrepräsentiert sind.
Parallel hierzu lässt sich in bestimmten Branchen wie dem Handwerk, aber auch in der Kreativwirtschaft und der Landwirtschaft ein begrenzter Zuzug von Frauen beobachten, die in der Oberlausitz zunächst günstige Rahmenbedingungen für die Verfolgung ihrer besonderen Leidenschaften und beruflichen Perspektiven identifizieren (etwa im Kunsthandwerk oder der Solidarischen Landwirtschaft). Dennoch werden im Regelfall rasch Zugangsbarrieren zu den regionalen Märkten, unklare Förderrichtlinien oder hoher bürokratischer Aufwand, aber auch skeptische Einstellungen potenzieller Partner oder Abnehmer erkennbar. Viele der Frauen artikulieren vor diesem Hintergrund nicht nur einen Unterstützungsbedarf seitens der Politik und der Wirtschaftsverbände. Vielmehr suchen sie Kontakt zu Frauen in ähnlicher Lage und Gleichgesinnten, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, sich in überschaubaren Gemeinschaften zu integrieren und solidarische Beziehungen zu begründen, die sie mit dem Leben in ländlichen Regionen verbinden.
Die Angebote richten sich an qualifizierte Frauen und zwar gleichermaßen an Einheimische, Rückkehrerinnen und Zugezogene in allen Lebensphasen: in Ausbildung, Studium sowie in der Familien- und Berufsphase.
Die digitale Plattform „F wie Kraft“ wurde in den vorangegangenen Projektphasen entwickelt und technisch realisiert, um landkreisübergreifend Erfahrungswelten, Themen und Angebote zu kommunizieren und zwar mit den Protagonistinnen. Neben regelmäßigen Portraits über Frauen in allen Alters- und Berufsgruppen ergänzt die Darstellung von Terminen und Ereignissen, die dem Austausch und der Allianzbildung von und für Frauen dienen, die Informationspolitik der Plattform.
Der Bedarf an niedrigschwelliger Beratung für bereits vorhandene Akteure ist in den letzten Projektphasen deutlich geworden. Darauf wurde mit der Initial-Gründung eines Arbeitskreises (Koordinationsstelle Berufs- und Studienorientierung/ Jobcenter, ImpulsRegio, HSZG) reagiert, durch den die vorgeschlagenen Maßnahmen aus der Forschung umgesetzt werden sollen. Welche Unterstützung brauchen die Verantwortungsträger und Verantwortungsträgerinnen, um geschlechterspezifischen Maßnahmen nachhaltig umzusetzen?
Das Projekt wird gefördert von der Regionalen Fachkräfteallianz des Landkreises Görlitz aus Mitteln des SMWA/SAB.
Gabler, Julia (2019): Plug and Play oder Work and Stay? –(Neue) Erwerbs- und Lebensperspektiven für Frauen im ländlichen Raum. In: Preising, Dagmar (Hg.): Frauen in der Arbeitswelt 4.0. De Gruyter Oldenbourg, S. 420-436. https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110588675-009/html
Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Görlitz
Ines Fabisch
gleichstellungsbeauftragte(at)kreis-gr.de
03581 663-9009
Das Projekt im FIS Forschungsinformationssystem der HSZG