Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Bundesverband Williams-Beuren-Syndrom e.V.
Das Williams-Beuren-Syndrom (WBS) ist eine seltene, genetisch bedingte Entwicklungsbeeinträchtigung, die in der Regel mit einer geistigen Behinderung einhergeht (Überblicksartikel: Pober, 2010). Zugrunde liegt ein zufällig auftretender Genverlust auf Chromosom 7 (Ewart et al., 1993). Die Prävalenz dieser seltenen Erkrankung liegt schätzungsweise bei 1:7.500 (Stromme & Bjomstad, 2002). Genetische, neurobiologische und medizinische Grundlagen des WBS sind inzwischen relativ gut erforscht, es fehlen jedoch alltagsrelevante pädagogische Erkenntnisse, die für Personen mit WBS, deren Angehörige und professionell Begleitende außerordentlich hilfreich wären (Prosetzky, 2014; Danielsmeier, 2014).
Studien zum WBS stehen nahezu ausschließlich in einer quantitativen Tradition medizinischer Forschung (Prosetzky, 2014). Bereits 2003 wird eine Transformation des Forschungsfeldes hin zu 1) einer größeren pädagogischen Relevanz 2) einer Erweiterung des Methodenspektrums und 3) einer Betrachtung von komplexen Zusammenhängen gefordert: "The Williams syndrome behavioral phenotype. The 'whole person' is missing" (Dykens, 2003, Titel). Diese Transformation bleibt bis auf vereinzelte Studien (Bsp. Fisher, 2014; Reis et al., 2016; Prosetzky, 2014; Danielsmeier, 2014) bisher aus.
Impulse für Unterstützungsprojekte liefern und Diskussion über Nutzen von Forschung anregen
Im Rahmen eines Cuncurrent Mixed Methods Designs (Creswell, 2011) wurden in zwei Teilstudien insgesamt 71 Interviews zu Erfahrungen und zum Bedarf von Unterstützungen mit Angehörigen und professionell Begleitenden durchgeführt und transkribiert. So wurde ein großer Datensatz aus qualitativen Daten (1.800 Seiten Transkript) und damit verknüpften quantitative Daten (N=31) erhoben. Die Interviews sind bisher in fünf Master-Thesen ausgewertet worden und bilden zugleich die empirische Grundlage für die 2017 begonnene Dissertation von Vera Danielsmeier: »Herausforderungen, Chancen und Ziele von Personen mit WBS – Eine Erfahrungs- und Bedarfsanalyse für zugeschnittene Unterstützungsangebote« (Kooperative Promotion mit Universität Bremen).
Die Studie wurde als laufendes Projekt am 10. und 11. November 2017 auf einer internationalen WBS Konferenz (Research advances and integrative management "Building our future") am General Hospital La Paz, Madrid präsentiert und diskutiert. Die Arbeit war die einzige dort präsentierte Studie mit einem qualitativen und offenen methodischen Schwerpunkt. Der Ansatz stieß auf großes Interesse von Seiten der anwesenden Forschenden. Es entstand eine selbstkritische Reflexion traditioneller Forschungsansätze, sowie eine Vernetzung mit interessierten Forschenden.
An der Fakultät Sozialwissenschaften der HSZG wurde 2016 die Forschungsgruppe »WBS in Resonanz« von Prof. Dr. Ingolf Prosetzky und Vera Danielsmeier gegründet. Der erhobene Datensatz wird in der Forschungsgruppe weiter ausgewertet und die Umsetzung der Unterstützungsprojekte über die Gruppe gewährleistet. Arbeitsschwerpunkte bilden die Auswertung aktueller internationaler Forschungspublikationen, die Entwicklung eigener theoretischer und empirische Forschungsbeiträge, die internationale Vernetzung mit anderen Forschenden und die Durchführung von regionalen Theorie-Praxis-Praxisprojekten. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung eines pädagogischen WBS Kompetenz- und Beratungszentrums in Görlitz.
Creswell, J. W., & Plano Clark, V. L. (2011). Designing and conducting mixed methods research (2. Aufl.). Los Angeles: SAGE Publications.
Danielsmeier, V. (2014). Das Musik- und Geräuscherleben von Menschen mit dem Williams-Beuren-Syndrom im Kontext psychischer und sozialer Bedingungsfaktoren. Eine ressourcenorientierte Studie. Unveröff. Diplomarbeit im Fach Psychologie an der Universität Bremen.
Dykens, E. M. (2003). The Williams syndrome behavioral phenotype. The ‘whole person’ is missing. Current Opinion in Psychiatry, 16 (5), 523–528. doi.org/10.1097/00001504-200309000-00006
Ewart, A. K., Morris, C. A., Atkinson, D., Jin, W., Sternes, K., Spallone, P., Keating, M. T. (1993). Hemizygosity at the elastin locus in a developmental disorder, Williams syndrome. Nature Genetics, 5(1), 11–16. doi:10.1038/ng0993-11
Fisher, M. H. (2014). Evaluation of a stranger safety training programme for adults with Williams syndrome. Journal of intellectual disability research : JIDR, 58 (10), 903–914. doi.org/10.1111/jir.12108
Prosetzky, I. (2014). Mehr als die Summe seiner Symptome: Zur kulturhistorischen Neuropsychologie und Pädagogik des Williams-Beuren-Syndroms (neue Ausg). Schriftenreihe International Cultural-historical Human Sciences: Vol. 48. Berlin: Lehmanns.
Reis, S. M., Schader, R., Milne, H. & Stephens, R. (2016). Music & Minds. Using a Talent Development Approach for Young Adults with Williams Syndrome. Exceptional Children, 69 (3), 293–313. doi.org/10.1177/001440290306900303
Schreier, M. (2013). Qualitative content analysis in practice (reprinted.). Los Angeles: Sage.
Stromme, P., Bjomstad, P. G., & Ramstad, K. (2002). Prevalence Estimation of Williams Syndrome. Journal of Child Neurology, 17(4), 269–271. doi:10.1177/088307380201700406
Pober, B. R. (2010). Williams–Beuren Syndrome. New England Journal of Medicine, 362(3), 239–252. doi:10.1056/NEJMra0903074
Das Projekt wurde aus Mitteln des Sächsischen Landtages finanziert.
Dipl.-Psychologin Vera Danielsmeier
Das Projekt im FIS (Forschungsinformationssystem der HSZG)