Interview mit Prof. Dr. Nadine Jukschat zu den Oberlausitzer Montagsdemonstrationen
Am Dienstag, dem 27.05.2025, erschien in der Sächsischen Zeitung ein Interview mit Prof. Dr. Nadine Jukschat zu den Oberlausitzer Montagsdemonstrationen und dem Rechtsruck in der Region. Das Gespräch basiert auf Forschungen im Rahmen mehrerer Lehrforschungsprojekte seit dem Wintersemester 2021/22 mit Studierenden des Masterstudiengangs Management Sozialen Wandels der Hochschule Zittau/Görlitz, die in Kooperation einerseits mit dem Projekt Oxymoron der Görlitzer Volkshochschule und andererseits mit Studierenden des Masters Kulturwissenschaften der Universität Leipzig durchgeführt wurden. Im Mittelpunkt des Interviews stehen die Entwicklung der Proteste seit Beginn der Corona-Pandemie, ihre ideologischen Verschiebungen sowie ihre gesellschaftliche Funktion im ländlichen Raum.
Im Interview schildert Jukschat, dass sich im Verlauf der Pandemie schnell antidemokratische Positionen artikulierten. Eine zentrale Rolle habe dabei die gesellschaftliche Verunsicherung gespielt: „Die allermeisten von uns sind keine Virologen, so vieles war für uns schwer zu verstehen und wurde auch nicht immer gut erklärt. Offenbar herrschte auch in der Politik Verunsicherung und mit Sicherheit wurden auch Fehlentscheidungen getroffen“. Diese Unklarheiten trafen auf vereinfachende Erklärungsangebote von Akteuren wie den „Freien Sachsen“.
Das Interview verdeutlicht, wie sich rechtsextreme und verschwörungsideologische Akteure im Umfeld der Demonstrationen etablieren konnten – insbesondere durch Strategien der Verharmlosung und Umdeutung. Dabei wird etwa die Einstufung der Demonstrationen als rechtsextrem ins Lächerliche gezogen oder der Begriff „rechtsextrem“ positiv umgedeutet – im Sinne von besonders konsequent. Prof. Jukschat beobachtet, dass sich Teile der Bewegung gezielt als wahre Verteidiger der Demokratie inszenieren. Diese Selbstverortung basiert jedoch auf einem verkürzten Verständnis von Demokratie: „Demokratie bedeutet, dass wir alle mittun und Konflikte aushandeln müssen und nicht die Verantwortung nur an Politiker delegieren können.“
Die Forschungen zeigen, dass dem Protest auch eine soziale Funktion innewohnt. Viele Teilnehmende suchten dort nicht vorwiegend politische Auseinandersetzung als vielmehr Selbstwirksamkeit und Gemeinschaft: „Man applaudiert sich, erfährt Selbstwirksamkeit, man trifft sich.“
Zugleich wird auf das Fortbestehen der Proteste trotz schrumpfender Teilnehmerzahlen und thematischer Verschiebungen hingewiesen. Sichtbar sei heute vor allem ein „harter Kern“ mit Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen. Das gesellschaftliche Klima habe sich im Zuge der Corona-Proteste spürbar verändert: Der Ton gegenüber Politik und Medien sei rauer geworden, antidemokratische Narrative hätten an Normalität gewonnen.